Zeremonialjahr der Hopi

 

Fortsetzung von Teil 1.

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Teil 2

Die Hopi Kultur der Gegenwart

 

 

In der ››Nicht-Katsina-Saison« finden mehrere große Zeremonien statt: die Flötenzeremonie, der Schlangentanz, die Zeremonien der Frauenbünde, und im November das Wuwtsim, bei dem der Aufstieg und die Wiedergeburt der Menschen in diese Welt rituell wiederholt wird und die jungen Männer in einen von vier Männerbünden initiiert werden. Die großen Zeremonien haben meist eine Dauer von acht oder sechzehn Tagen. Die rituelle Zählung der Tage folgt einem festen Schema und ist mit bestimmten Phasen und Tätigkeiten verknüpft, die hier nicht näher spezifiziert werden müssen. Die Bundmitglieder treffen sich in der Kiva, um dort zu beten und zu rauchen, Altäre aufzubauen und Gebetsstäbe als Opfer für die Götter anzufertigen. Rituelle Konzentration und positive Intentionen sind entscheidend für den Erfolg der Zeremonien, nämlich für Regen und Fruchtbarkeit zu sorgen. Den Abschluß jeder großen Zeremonie bildet am letzten Tag ein öffentlicher Tanz, der von der ganzen Gemeinde verfolgt werden kann.

Der große Jahreskreislauf der Zeremonien, der von den einzelnen Dörfern unabhängig voneinander durchgeführt wird, dient nicht allein dem Austausch zwischen der Sphäre der Menschen und der Sphäre der Götter und Geister. Er ist gleichzeitig Ausdruck und Resultat der harmonischen Zusammenarbeit auf gesellschaftlicher Ebene, zwischen Klanen, Haushalten, Kiva-Gruppen und religiösen Bünden. Er ist das wichtigste Bindeglied der Hopi-Gesellschaft, und er zelebriert, kombiniert und kommuniziert die wichtigsten Aspekte und Belange des Hopi-Weges (hopivötskwanı):

 

1. Der Zeremonialzyklus spiegelt und begleitet den jährlichen Bodenbauzyklus, von der Keimung der Pflanzen über das Wachstum bis zur Reife und Ernte. Der Mais als Grundlage und Essenz der physischen und spirituellen Hopi-Existenz ist in allen Zeremonien präsent. Die Hopi haben geniale, an die schwierigen ökologischen Bedingungen optimal angepaßte Feldbaumethoden entwickelt. Bei einer durchschnittlichen jährlichen Niederschlagsmenge von 250 mm und in Ermangelung von Flüssen oder Bächen mit permanenter Wasserführung haben sie den Trockenfeldbau zur Meisterschaft entwickelt. Sie nutzen die wasserspeichernden Eigenschaften von Sanddünen und die Wasserkapazitäten von Sturzbächen, die sich nach der Schneeschmelze und nach sommerlichen Gewittergüssen bilden.

Sie haben Varietäten von Mais, Bohnen, Kürbissen und Melonen gezüchtet, die tiefe Wurzeln treiben, Trockenperioden überstehen können und in relativ kurzer Zeit von der Keimung zur Reife gelangen. Dennoch wird der Ernteerfolg, der seit Jahrhunderten das Überleben sichert, permanent durch Frost, Dürre, Flut und Schädlinge bedroht. Angesichts dieser Unwägbarkeiten bietet der Glaube an die regenbringen-

de Kraft der Zeremonien eine zusätzliche Versicherung.

 

2. Durch Ritual und Gebet kommunizieren die Bundpriester und Zeremonialteilnehmer mit den Göttern und

Ahnengeistern, um die Harmonie zwischen den beiden Welten aufrechtzuerhalten. Ein harmonisches Gleichwicht auf sozialer und spiritueller Ebene ist die Voraussetzung dafür, daß der Regen fällt, die Pflanzen wachsen und alles Leben gedeiht. Ein wichtiges Element aller Zeremonien ist das rituelle Rauchen, das die Gebete und Wünsche zu den Göttern und Ahnen in der anderen Welt transportiert, und das die Verbundenheit unter den Teilnehmen bekräftigt. Entscheidend für den Erfolg der Zeremonien ist die positive innere Haltung jedes einzelnen Teilnehmers. Er muß ››ein gutes Herz haben«, wie die Hopi es formulieren. Der Begriff hopi bezeichnet eine ethische Kategorie, die alles umfaßt, was gut, richtig und pøi ist. Man kann Hopi als ››gesittet« oder ››rechtschaffen« übersetzen, was manchen Hopi allerdings zu sehr nach ››selbstgerecht« klingt. Den Gegensatz dazu bildet der Begriff qahopi - wörtlich »nicht-Hopi, falsch, schlecht«. Das Ausbleiben positiver Resultate oder - schlimmer noch - das Eintreten von Mißgeschick jeder Art (Unglücksfälle, Krankheit, Dürre) wird auf individuelle Versäumnisse bei der Durchführung der Rituale oder auf das bewußt antisoziale Wirken von Hexen zurückgeführt.

 

3. Als Ritualdramen von vielschichtiger Symbolik bilden die Zeremonien einen ästhetischen Kontext zur Vermittlung der Prinzipien des Hopi-Weltbildes und für die rituelle Aufführung bzw. Wiederholung von Ereignissen, die am Anfang der Zeiten stattgefunden haben. Die Grundlagen von hopivötskwani werden mit den Mitteln von Farbe, Bewegung, Gesang und dramatischer Aktion in Erinnerung gerufen und lebendig gehalten.

 

4. Nicht zuletzt sind öffentliche Zeremonien wie die Katsina-Tänze, die geselligen Tänze und die Tänze zum Abschluß der großen Bundzeremonien herausragende soziale Ereignisse, mit denen sich die Gemeinde präsentiert und feiert. Individuen, Familien und Klane demonstrieren in diesem festlichen Rahmen ihre Verbundenheit mit der Gemeinde und bekräftigen die Bindungen zu Verwandten und Freunden, die aus anderen Dörfern oder aus den Städten der Weißen zu Besuch gekommen sind.

 

Quelle: Katalog „Katsinam“ Völkerkundesammlung der Hansestadt Lübeck